Frankfurt a.M. – Rund 3.000 Lehrkräfte werden in Deutschland Jahr für Jahr Opfer von Gewalt in der Schule. Darauf hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) heute anlässlich des „Welttages für Arbeits- und Gesundheitsschutz“ am Donnerstag hingewiesen.
„Die Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer zu erhalten, ist eine zentrale Herausforderung“, stellte GEW-Vorstandsmitglied Anne Jenter in Frankfurt a.M. fest.
Laut einer repräsentativen Studie an Hauptschulen und Gymnasien hatten rund vier Prozent der Lehrkräfte während eines Schuljahres physische Gewalt oder die Androhung von Gewalt erlebt. Dazu addiere sich die verbale Gewalt. „Da muss man sich nicht wundern, wenn 30 Prozent der befragten Lehrkräfte in schlechter seelischer Verfassung sind. Sie leiden an den ersten Anzeichen des so genannten Burnout-Syndroms wie Niedergeschlagenheit, Leistungsschwäche, an schweren Erschöpfungszuständen und Gefühlsabstumpfung bis zu Zynismus gegenüber Mitmenschen und dem Beruf“, betonte Jenter.
Sie wies darauf hin, dass die psychischen Belastungen der Lehrkräfte nur in Baden-Württemberg und Bremen flächendeckend erhoben würden. „Das ist ein Armutszeugnis. Gefährdungsbeurteilungen sind seit 15 Jahren gesetzliche Pflicht“, unterstrich die Arbeitsschutzexpertin. Es gebe wissenschaftlich anerkannte Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung von Belastungen am Arbeitsplatz der Lehrkräfte. Diese würden von den Kultusministerien in Baden-Württemberg und Bremen angeboten. Als „verantwortungslos“ bezeichnete es Jenter, dass Kultusministerien arbeitsschutzrechtliche Aufgaben etwa an Schulleitungen übertrügen, aber nicht die entsprechenden Mittel für Maßnahmen zur Lösung der Probleme bereit stellen.
„Schulen brauchen ein breit gefächertes, vielseitiges Unterstützungssystem, das Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz anbietet“, sagte Jenter. „Sie benötigen Fachkräfte nach dem Arbeitssicherheitsgesetz, die einen gesundheitsfördernden Schulentwicklungsprozess professionell moderieren. Dazu gehören gute Zusammenarbeit im Kollegium, mitarbeiterorientierter Führungsstil, gemeinsame pädagogische Vorstellungen, guter Informationsfluss, gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung sowie Fortbildungsveranstaltungen.“
Info: An der Untersuchung von Professor Joachim Bauer von der Uni Freiburg haben knapp 1.000 Lehrkräfte, die an Hauptschulen und Gymnasien unterrichten, teilgenommen.
In Baden-Württemberg und Bremen haben alle Lehrkräfte auf freiwilliger Basis die Möglichkeit, den COPSOQ-FFAS-Fragebogen online zu bearbeiten (Dauer ca. 25 Minuten). Direkt nach der Beantwortung des Fragebogens erhält die Lehrkraft online eine individuelle Auswertung der persönlichen Belastungssituation. Die unabhängige, wissenschaftliche Freiburger Forschungsstelle für Arbeits- und Sozialmedizin (FFAS) wertet die Daten anonymisiert aus. Schulleitung und Personalrat einer Schule erhalten eine Auswertung für die gesamte Einrichtung, wenn sich mindestens fünf Lehrkräfte beteiligen. Jede Lehrkraft hat somit eine individuelle Einschätzung der Belastungssituation und kann ggf. entsprechend reagieren. Entscheidend ist, dass sich die Schule als Gesamtorganisation mit ihrer spezifischen Belastungssituation auseinandersetzt und darauf verständigt, welche Probleme zuerst und wie angegangen werden.